Peking/Hongkong, 1. Juli 2014 (ADN). Rund 800.000 Bewohner von Hongkong beteiligten sich an einer am Wochenende abgeschlossenen informellen Volksabstimmung in der ehemaligen britischen Kronkolonie, die vor genau 17 Jahren an die Volksrepublik China zurückgegeben wurde. Das ist rund ein Viertel der Wahlberechtigten. Die Teilnehmer wurden dabei nach drei Varianten befragt, mit denen im Jahr 2017 ein neuer Verwaltungschef der jetzigen Sonderwirtschaftszone gewählt werden soll.  Wie das Nachrichtenportal nachrichten.at am Dienstag mitteilte, stimmt nach Ansicht der Pekinger Zentrale die dabei geforderte freie Nominierung der Kandidaten für die Wahl des neuen Regierungschefs von Hongkong nicht mit dem Grundgesetz der Sonderverwaltungszone überein. Dennoch soll nach dem Bekunden der Zentralregierung bei der Wahl in drei Jahren mehr Demokratie Einzug halten. Bislang wird der Verwaltungschef von Hongkong von einem Peking-treuen Komitee gewählt. Der gegenwärtige Chefadministrator Leung Chun Ying hatte die von einem Politologieprofessor organisierte Abstimmung, die per Internet und in Wahllokalen innerhalb von zehn  Tagen stattfand, verurteilt. Er warnte vor einer Konfrontation zwischen Peking und Hongkong.

Traditionsgemäß finden in dem Gebiet am 1. Juli, dem Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an China, Massendemonstrationen für Demokratie statt. Auf bemerkenswerte demokratiehistorische und soziale Phänomene weist am Dienstag das Nachrichtenportal german.china.org.cn hin. Es zitiert den wissenschaftlichen Leiter für internationales Business am Indien-China-USA-Institut, Dan Steinbock: „Die politische Ironie ist erschütternd. Als Hongkong von 1841 bis 1997 unter britischer Verwaltung stand, hat Großbritannien die Demokratie nicht gefördert. Das begann erst kurz vor und speziell nach der Wiedervereinigung. Mit dem Start der Reform- und Öffnungspolitik im Zuge der Wiedervereinigung hat sich das Einkommensniveau in Hongkong vervierfacht. 1980 lagen die Einkommen 40 Prozent unter dem von Großbritannien.  1997 waren sie um 15 Prozent höher.“

Die soeben absolvierte Volksabstimmung in Hongkong und deren Einordnung liefert zudem interessante Erkenntnisse im Vergleich zu Europa. Während der alte, von westlichen Demokratien geprägte Kontinent geradezu notorisch und gebetsmühlenartig die demokratischen Defizite in China anprangert, werden aus den politischen Zentralen der Europäischen Union (EU) und deren Mitgliedsländern ähnliche Referenden auf eigenem Terrain für irrelevant oder gar illegal erklärt. Das gilt beispielsweise für das im Frühjahr dieses Jahres im Süden Europas in der Region Venedig per Internet organisierte Volksbegehren, in der mit großer Mehrheit die Bildung der souveränen Republik Venetien und die Abspaltung von Italien befürwortet wurde. Noch abwegiger waren in den Augen der politischen Führungsspitzen der EU der Volksentscheid auf der Krim und die damit verbundene Wiedervereinigung mit Russland sowie die politische Separation in Donezk und Lugansk von der Ukraine.  ++ (dk/mgn/01.07.14 – 181)

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