Archive für Beiträge mit Schlagwort: Verwaltungsapparat

Köln, 27. August 2014 (ADN). Woher stammen die im Jahr 1803 durch Napoleon enteigneten Kirchengüter und andere Immobilien, aufgrund dessen bis in die Gegenwart der Staat jährlich 480 Millionen Euro an die beiden christlichen Kirchen als Entschädigungsersatzleistung zahlt ? Wurden sie seinerzeit etwa zusammengestohlen ? Auf diese am Mittwoch im Deutschlandfunk zum Schluss einer Diskussion über wenig transparente Kirchenfinanzierung gestellten Fragen vermochte Politikprofessor Ulrich Willems von der Universität Münster nur ungefähre Antworten zu geben. Kirchenfürsten hätten damals oft auch weltliche Macht ausgeübt oder bereicherten ihre Immobilienbestände durch Schenkungen. Weil der Kaiser der Franzosen diese Besitzungen – auf rechtsrheinischem Gebiet annektierte er allein 470 Quadratmeilen – den Kirchen als wichtige Einkommensquellen weggenommen hatte, sei durch die sogenannte Reichsdeputation dieser Schadensersatzausgleich zugesprochen worden. Das gelte deshalb bis heute und sei jährlich zu bezahlen. Zur konkreten Berechnungsmethode der Summen war nichts zu erfahren. Weder in der Weimarer Republik noch nach der deutschen Wiedervereingung sei an diesem Zustand etwas verändert worden.

Weitere kaum plausible Vergünstigungen, die der Bund oder die Länder den Kirchen einräumen, kamen zur Sprache. Bei bestimmten Regelungen springen sogar für beide Seiten Vorteile heraus. Beispielsweise übernehmen das Berechnen und Einziehen der Kirchensteuer die Finanzämter und die Kirchen sparen sich damit einen teuren eigenen Verwaltungsapparat. Als Bearbeitungsgebühr verbleiben bei der Staatsbürokratie zwei bis vier Prozent des gesamten Kirchensteueraufkommens. Das ist mehr als auskömmlich, so Willems, dessen Forschungsschwerpunkt Religion und Politik ist.

Als allgemeiner Grund der engen Verzahnung von Kirche und Staat in der Bundesrepublik Deutschland wurde das bestehende Kooperationssystem genannt. Es verlaufe inzwischen asymmetrisch, weil bei seinem Entstehen fast 95 Prozent der Bevölkerung den beiden christlichen Kirchen angehörten. Insofern setzte das Grundgesetz ein Programm der Verchristlichung der Gesellschaft voraus. Das vollzieht sich aber nicht. Im Gegenteil, immer weniger Menschen sind konfessionell gebunden. Außerdem treten verstärkt ganz andere Religionsgemeinschaften auf den Plan. Insofern erscheinen Trennsysteme wie in Frankreich und den USA viel einleuchtender als das deutsche Staatskirchenrecht, in dem die Kirchen als Körperschaften öffentlichen Rechts weitgehend autark agieren und dennoch in vielerlei Hinsicht mit dem Verwaltungsapparat vernetzt sind – großenteils finanziell. ++ (rg/mgn/27.08.14 – 238)

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Berlin, 17. April 2012 (ADN). Die Vorschlagsphase des von Bundeskanzlerin Angela Merkel initiierten Zukunftsdialogs endete am vorgestrigen Sonntag um die Mitternachtsstunde. Das Redaktionsteam des im Internet unter http://www.dialog-ueber-deutschland.de erreichbaren Forums meldete einen Tag vor Einsendeschluss rund 1,6 Millionen Besuche. Damit hätten sich täglich mehr als 20.000 Besucher zugeschaltet und informiert. Mehr als 11.000 Vorschläge und etwa 70.000 Kommentare seien bis zu diesem Zeitpunkt in den Bürgerdialog eingeflossen. Eine der am gestrigen Schlusstag eingegangenen Anmerkungen lautete: „Glaubt hier tatsächlich jemand ernsthaft, dass es durch diesen Dialog große Veränderungen geben wird ? Die oberen „10.000“ – Politiker, Manager, Konzerne – werden bestimmt nichts von ihrer Macht oder ihrem zusammengerafften Geld abgeben und sich auch weiterhin ordentlich die Taschen auf Kosten des Volkes vollstopfen, was sich dafür krank gearbeitet hat und sich selbst nichts leisten kann.“

Der Zweifel sitzt offenbar tief, denn es ist nicht der einzige derartige Kommentar. Außerdem wird bemängelt, dass dieser „Dialog“ kaum von den Medien verbreitet oder auch nur erwähnt wurde. Viele bedauern, erst zu spät davon erfahren zu haben. Einer tut das nicht. Er äußert: „Ich glaube, niemand, der es versäumt hat, hier Vorschläge einzugeben, muß darüber besonders traurig sein. War es etwas, was die Regierung nicht ohnehin im Sinn hatte, so wird es ignoriert werden. Entspricht es der gängigen Linie, so dient es der Rechtfertigung. Wir leben in einem Land ohne Verfassung. Das Grundgesetz wird immer wieder als solche bezeichnet, aber das ist es nicht, wie wir eigentlich alle wissen. Diesen Mangel abzustellen, sollte zuerst unser Anliegen sein. Und wenn die Politik wirklich bereit wäre, dem Volke zuzuhören, dann könnte sie das ja gerne im Rahmen einer verfassunggebenden Versammlung tun. Ich persönlich habe keine Lust, mich vor den Karren spannen zu lassen, der dann dorthin fährt, wo Lobbies und machthungrige Politiker es wollten.“ Das schreibt der Teilnehmer am 16. April um 18.08 Uhr. Sein Vorschlag kommt etwas mehr als 18 Stunden zu spät und landet wegen Verfristung ohnehin – aus formaljuristischen Gründen – im Paperkorb.

Allerdings darf dieser Gedanke nicht vollends unberücksichtigt bleiben, denn ein anderer Dialog-Teilnehmer zitiert noch in der vorgegebenen Karenzzeit am 15. April um 17.41 Uhr den Artikel 146 des Grundgesetzes: „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ Der Autor, dessen Meinung sich zwei weitere Büerger anschließen, erwartet nicht von der Politik, erst recht nicht vom momentanen Verwaltungsapparat, dass dieser sich selbst entmachtet. Jedoch hoffe er, dass politisch bewanderte und interessierte Menschen die Sache selbst in die Hand nehmen, weil „wir der Souverän, das Volk sind.“

Eine Expertenrunde wird nun die eingesandten Vorschläge und Kommentare prüfen und auswerten. Das soll bis zum 28. August d. J. geschehen. Dann wird ein Abschlussbericht an Angela Merkel übergeben. Es ist der 263. Geburtstag von Johann Wolfgang Goethe. Vielleicht ziert ein geflügeltes Wort des Nationaldichters das Experten-Elaborat. Überlegenswert wäre dieser: „Doch liegt mir Deutschland warm am Herzen. Ich habe oft einen bitteren Schmerz empfunden bei dem Gedanken an das deutsche Volk, das so achtbar im einzelnen und so miserabel im ganzen ist.“ (dk/mgn/17.04.12 – 112)